Weiterbildung Atempädagogik/-therapie bei Trauma
Intro
In diesem Einführungs-Wochenende werden grundlegende Kenntnisse über Trauma und die atempädagogische/-therapeutische Arbeit mit traumatisierten Menschen vermittelt, mit denen jede Atempädagogin/-therapeutin bzw. jeder Atempädagoge/-therapeut vertraut sein sollte.
Struktur
Zeitlicher Rahmen
Lernmethoden
- Vorträge, Powerpoint- und Videopräsentationen
- Wahrnehmungs-, Achtsamkeits- und Bewegungsübungen sowie nonverbales und verbales Erforschen eigener Erfahrungen
- Praktische Demonstrationen im Gruppensetting und im Einzelsetting auf dem Hocker und der Liege
- Strukturierte Übungseinheiten in Kleingruppen oder zu zweit
- Selbststudium anhand von Skripten, Video- und Audioaufnahmen von Theorie- und/oder Praxiseinheiten, Youtube-Videos, empfohlener Literatur und Intervision mit Übungssitzungen
Skripten sowie Video- und Audioaufnahmen
Abschluss – Zertifikat
Inhalte
In der eineinhalb Jahre dauernden Weiterbildung werden wesentliche Informationen über Trauma und vielfältige atempädagogische/-therapeutische Interventionen für die Arbeit mit traumatisierten Menschen vermittelt.
Inhalte des 1. Moduls/Wochenendes: Verbale Begleitung
- Das verbale Begleiten des Prozesses durch offene Fragen, die das Empfinden ansprechen.
- Das exakte Wiederholen der wichtigsten Worte der Klient*innen.
- Das Ansprechen der verschiedenen Erfahrungselemente – Empfinden, Bilder, Verhalten, Gefühle/Affekt und Bedeutung.
- Kontaktaussagen, die eine Situation, ein aktuelles Geschehen, Befinden oder Erleben bei den Klient*innen ansprechen.
- Das Erfragen von Bedeutung z. B. bei einer Berührung: „wenn die Hände Worte hätten, was würden sie dir sagen?“
- Sonden – Aussagen als Experimente, um neue Erfahrungen zu ermöglichen oder hinderliche Überzeugungen zu ergründen.
- Psycho-Information – Sinn und Nutzen bestimmter Interventionen erklären und Klient*innen helfen, ihre Reaktionen besser zu verstehen.
- Unser Selbsterleben anbieten – Körperempfindungen, Bilder, Impulse, Gefühle und Gedanken, die denen der Klient*innen entsprechen, aber ihnen evtl. noch unbewusst sind.
Inhalte des 2. Moduls/Wochenendes: „Dreieiniges Gehirn“, Erfahrung, verschiedene Erfahrungselemente, Kopplungsdynamiken, Orientierung, Sicherheit sowie Hier und Jetzt und Einführung in die Themen Ressourcen, der Neutrale Pol, Resilienz, Titrieren und Pendeln
- Kenntnisse von dem Aufbau und den Funktionen des „dreieinigen Gehirns“ (Konzept von Paul D. MacLean) sind für das Verständnis für die Entstehung und Lösung von Trauma sehr wichtig. Wir besprechen mit welchen Interventionen wir welche Gehirnbereiche ansprechen und wann, warum und wie wir bottum-up-processing oder top-down-processing in der Arbeit mit traumatisierten Menschen nutzen u. v. m.
- Als Erfahrung wird das Erlebnis eines Menschen in Form eines von ihm selbst erlebten und damit selbst wahrgenommenen Ereignisses – in diesem Kontext speziell eines potentiell traumatisierenden Ereignisses – bezeichnet. Erfahrungen können bewusst (symbolisiert) oder unbewusst sein. Wir erörtern auf welchen Gehirnebenen Erfahrungen geschehen, welche Bedeutung die Symbolisierung von Erfahrungen hat, wie die Realität von Erfahrungen – vor allem wenn sie in sehr frühem Lebensalter geschehen – überprüfbar sind, wie verschiedene Therapie-Methoden Erfahrungen kategorisieren und entsprechend damit arbeiten u. v. m.
- Unser alltägliches Erleben kann in fünf Erfahrungselemente – Empfinden, Bilder und Sinneseindrücke, Verhalten, Affekt/Gefühl und Bedeutung – auf drei Gehirnebenen – Stammhirn, limbisches System und Neokortex – unterteilt werden. Wir werden besprechen und praktisch üben, wie wir die fünf Erfahrungselemente in unserer atempädagogischen/-therapeutischen Arbeit ansprechen können sowie zum Ausbreiten und Vertiefen von Erfahrungen und zum Titrieren nutzen können und wie sinnvolle Verbindungen zwischen Erfahrungselementen gefördert werden können.
- Kopplungsdynamiken beschreiben Möglichkeiten, wie die einzelnen Erfahrungselemente bzw. -ebenen präsent und untereinander verbunden sind – z. B. sinnvoll gekoppelt, überkoppelt oder unterkoppelt und geben Hinweise auf mögliche Ursachen. Wir werden Anzeichen von Kopplungsdynamiken besprechen sowie üben, sie wahrzunehmen und mit ihnen umzugehen.
- Um im Hier und Jetzt sein und in Kontakt treten zu können, bedarf es Orientierung und Sicherheit. Orientierung ist für die meisten Menschen ein derart gewohnter Prozess, dass er meist unbewusst geschieht. Orientieren ist Aufgabe des Nervensystems. Es ermöglicht ein Bezogen-Sein im Hier und Jetzt. Dadurch entsteht Offenheit, Interesse, Neugierde und Achtsamkeit. Wir werden besprechen und praktisch üben, wie und wann wir das Hier und Jetzt sowie Orientierung speziell in der atempädagogischen/-therapeutischen Arbeit mit traumatisierten Menschen nutzen, u. a. z. B zum Stabilisieren.
Inhalte des 3. Moduls/Wochenendes: Autonomes Nervensystem (ANS), Polyvagal-Theorie, Reaktionen des ANS, Spuren lesen und Pendeln
Inhalte des 4. Moduls/Wochenendes: Gelenke, Berührungsintention, Kohärenz, Containment, Titrieren, Pendeln und Integrieren
In diesem Modul stehen wohldosiertes Ausbreiten bzw. Entladen von Energie und Komplettieren von unvollendeten Reaktionen durch Arbeit an den Gelenken der Extremitäten (der Peripherie) sowohl in der übungszentrierten Arbeit als auch in der Arbeit mit Berührung auf der Liege im Mittelpunkt. Wir werden dabei wichtige Erfahrungen wie Bewegungsfreiheit, Kohärenz und Containment unterstützen.
Die Gelenke werden in Atemlehre Ganzheitliches Atemerleben® als wichtige Übergänge, Verbindungen und Schlüsselstellen für Durchlässigkeit gesehen. In der Arbeit mit traumatisierten Menschen ermöglicht die spezielle Ansprache der Gelenke, dass sich im Körperinneren gehaltene Energie ausbreiten bzw. entladen und Zugang zu unvollständigen Überlebensreaktionen und Selbstschutzversuchen entstehen kann.
Wir werden erkunden, welche Haltungen und Intentionen der Atempädagog*innen/-therapeut*innen diesen sich selbstorganisierenden Prozess der Selbstregulation und Traumalösung unterstützen und üben, sie bewusst zu nutzen.
Ob unsere Intentionen und Interventionen passend sind, können wir an zunehmender Kooperation innerhalb eines Körpersystems wie z. B. dem Atem- oder des Muskelsystems und verschiedener Körpersysteme miteinander und somit an zunehmender Kohärenz erkennen. Wenn Kohärenz vorherrscht, dann ist der Atem langsam und tief, Atembewegung breitet sich in allen Körperbereichen aus, der Muskeltonus ist wohlgespannt, zwischen einzelnen Körperbereichen herrscht Resonanz, Atem- und Herzfrequenz sind aufeinander abgestimmt usw.
In der Regel entsteht dadurch zugleich auch mehr Containment, d. h. eine erhöhte Fähigkeit, hohe Energiezustände ohne einen Verlust an Stabilität halten zu können. Die gleiche Menge an Ladung oder Energie fühlt sich nach weniger Energie an, wie wenn sie nun in einem größeren Raum wäre.
Wir werden dabei immer Titrieren, d. h. den Prozess verlangsamen, die Zeit zum Geschehen-Lassen und Wahrnehmen ausdehnen und das traumatische Erlebnis in kleinen Dosierungen verarbeiten. Es geht darum, genau die Menge zu finden, mit der sich die Klient*innen sicher fühlen und die sie integrieren können. Dadurch wird zum einen Retraumatisierung verhindert und zum anderen kann der Organismus durch das Dehnen der Zeit unvollendete Reaktionen komplettieren und das Nervensystem wieder in die optimale Energiezone zurückfinden.
Um diese Prozesse gut begleiten und regulieren zu können, werden wir wieder das Pendeln – das Wechseln bzw. Hin- und Herbewegen zwischen Expansion/Ressource oder Neutralem und Kontraktion/traumatischer Erinnerung/Problem – praktizieren. Durch Pendeln kommt ein Prozess in Gang und Energie wird in Fluss und Bewegung gebracht. Deshalb werden wir auch hierbei üben, auf die Dosierung zu achten – nicht zu oft pendeln und nicht zu viel Energie auf einmal in Bewegung bringen.
Inhalte des 5. Moduls/Wochenendes: Diaphragmen, Viszera und Gelenke sowie Vertiefen von Kohärenz, Containment, Titrieren, Pendeln und Integrieren
In vielen Atemlehren wird in erster Linie mit dem Diaphragma abdominale (Zwerchfell) als Hauptatemuskulatur und dem Diaphragma pelvis (Beckenboden) gearbeitet. Dabei geht es sowohl um das Stärken dieser Strukturen für einen vitalen Atem als auch das Fördern der Elastizität, Flexibilität und letztlich Schwingungsfähigkeit für einen freien, flexiblen Atem.
Traumatisierte Menschen regulieren mit Hilfe der Diaphragmen ihre intensiven Gefühle sowie Erregungs- und Energiezustände. D. h., dass es bei traumatisierten Menschen teilweise einer anderen Ansprache der Diaphragmen bedarf, als klassisch in diesen Atemlehren. Zudem ist es sinnvoll, mit weiteren Diaphragmen wie z. B. dem zervikothorakalen Diaphragma zu arbeiten, wie dies in der Osteopathie oder in Somatic Experiencing (SE) geschieht.
Wir werden in diesem Modul die Arbeit an Diaphragmen mit der Arbeit an den Gelenken kombinieren. Ziel ist, dass sowohl hohe körperliche Energiezustände und starke Gefühle ohne einen Verlust an Stabilität gehalten werden können als auch sich Energie wohldosiert ausbreiten bzw. entladen kann und unvollendete Reaktionen komplettieren können.
Inhalte des 6. Moduls/Wochenendes: Ressourcen, Resilienz, neutraler Pol und gesunde Grenzen
- „Ressourcen sind Kraftquellen, die den Menschen unterstützen, sich auf die große Vielfalt der im Leben auftretenden Situationen und Anforderungen kontinuierlich einzustellen sowie angemessen und wirksam zu reagieren. Sie sind Grundlage für Wohlbefinden, Lebendigkeit und Kreativität. Sie helfen, Veränderungen anzugehen und Neues zu wagen“ (Faller 2019).
„Unter Resilienz wird die Stärke eines Menschen verstanden, widrige Lebensbedingungen ohne anhaltende psychische, körperliche oder soziale Beeinträchtigungen zu meistern“ (Mergenthaler 2012) und die Fähigkeit, sich an Veränderungen anzupassen und sich neu erfinden können.
Wir werden vielfältige atempädagogische/-therapeutische Interventionen erforschen, die Ressourcen und Resilienz stärken, insbesondere jene, die zum einen für die Aufarbeitung der jeweiligen traumatischen Erfahrung und zum anderen auch für das Gestalten und Wahren gesunder Grenzen wesentlich bzw. hilfreich sind. Wir werden immer wieder in den Übungssequenzen darauf achten, die Resilienz der Klient*innen aber auch bei uns als Atempädagog*innen/-therapeut*innen zu erkennen und zu beachten. - Weil Ressourcen „positiv geladen“ sind, irgendwann an ihre Grenzen stoßen und dann „kippen“ können, kann es hilfreich sein zusätzlich zu Ressourcen mit einem „neutralen Pol“ zu arbeiten. Der neutrale Pol ist etwas, das weder positiv noch negativ „geladen“ ist und kann sowohl im Körper (ein Körperbereich) als auch außerhalb (z. B. ein Gegenstand) sein. Er beinhaltet meist größere Stabilität als Ressourcen, da er wertfrei und konfliktfrei ist und wird daher vielfach als sehr entlastend erlebt.
- Bei Trauma passiert immer eine Verletzung von Grenzen mit spezifischen Folgen. Dabei spielen die verschiedenen Arten und Funktionen von Grenzen eine wichtige Rolle und es entstehen als Folge unterschiedliche Grenzstile.
Wir werden vielfältige atempädagogische/-therapeutische Interventionen erforschen, die gesunde Grenzen stärken und Klient*innen ermutigen, je nach Situation selbstbestimmt und klar „Ja“ oder „Nein“ zu sagen und differenziert ihre Anliegen, Bedürfnisse und Wünsche zu äußern. Dadurch entstehen Sicherheit und erfüllter Kontakt.
Termine
6. Modul/Wochenende: 12. – 14. September 2025
Die Wochenenden finden freitags von 16:00 – 20:00 Uhr, samstags von 9:00 – 12:00 und 15:00 – 18:00 Uhr und sonntags von 9:00 – 12:00 Uhr statt.
Voraussetzungen
Gebühr
Ort
Login zum internen Bereich
Erfahrungen aus dem 1. Weiterbildungslehrgang
Ingeborg Becker, eine Teilnehmerin aus Müllheim, hat einen sehr informativen Bericht zu ihren Erfahrungen in dieser Weiterbildung in ATEM – DIE ZEITSCHRIFT, Ausgabe 1 – 2023, Seite 45 f. des deutschen Berufsverbandes ATEM – der Berufsverband e. V. (BV-ATEM®) veröffentlicht, der hier als Download zur Verfügung steht.