Trauma
Die Definition des Psychrembel (Klinisches Wörterbuch) für Trauma lautet: „Verletzung, Wunde, Gewalteinwirkung in körperlicher oder psychischer Hinsicht“ (Willibald el. al. 1990). Der weltweit renommierte Traumaforscher und Professor für Psychiatrie Bessel van der Kolk nennt als wesentlichste Folge von Trauma für den Menschen den „… Verlust von Kontakt und Verbindung zum Hier und Jetzt.“
Verletzungen, die in Interaktionen mit Mitmenschen sowie durch extrem belastende und/oder lebensbedrohliche Ereignisse geschehen, können unser Gefühl für Lebendigsein, Wohlbefinden, unsere Persönlichkeitsentwicklung, Kontakt- und Beziehungsfähigkeit und Kreativität behindern. Dennoch unterscheiden sich beide Arten von Trauma in ihren Nach- und Auswirkungen wesentlich.
Traumen aus zwischenmenschlichen Interaktionen (emotionale Verletzungen) = Entwicklungstraumen
Sie passieren sehr häufig und mit den nachhaltigsten Folgen, wenn der natürliche Entwicklungsprozess des Kindes von den Bezugspersonen und der Umwelt nicht unterstützt oder sogar behindert wird. Diese Behinderungen und Einschränkungen begründen Überzeugungen und Anschauungen, wie z. B.: „ich habe kein Recht da zu sein“, „ich verdiene keine Hilfe“ oder „ich darf meinen freien Willen nicht ausdrücken“. Sie prägen das Selbstbild, die Körperstruktur, das Atemverhalten usw. und letztlich die Lebensstrategien und damit die Handlungen des betroffenen Menschen. Sie bilden, was in den Körperpsychotherapien, die auf Lowens Theorie der Persönlichkeitsentwicklung beruhen, den „Charakter“ (Lowen 1991) und in der Psychologie Persönlichkeit genannt wird.
Es gibt aber auch Verletzungen aus Interaktionen, die, wenn sie wiederholt oder über längere Zeit und vor allem im 1. Lebensjahr auftreten, auch lebensbedrohlich sind und damit in die nächste Kategorie fallen.
Traumen durch extrem belastende und/oder lebensbedrohliche Ereignisse = Schocktraumen
Diese Ereignisse können eine Gewaltanwendung/physische Misshandlung, Naturkatastrophen, sexuelle Übergriffe, Krieg, ein Unfall, Sturz usw. sein. Selbst eine Operation, die eigentlich lebensrettend ist, kann traumatisch sein, denn der Körper kann nicht unterscheiden, ob das Messer von einem Angreifer kommt oder von einem Arzt. Auch lebensbedrohliche und extrem beeinträchtigende Erkrankungen, d. h. die Sorgen um den weiteren Krankheitsverlauf nach einem Herzinfarkt/-stillstand oder bei onkologischen Patienten können zu einer internalen Bedrohung führen. Letztlich können Zeugen eines lebensbedrohlichen Ereignisses oder z. B. Rettungs- und Intensivstationspersonal, Polizei und Feuerwehr im Sinne einer sekundären Traumatisierung/berufsbedingtes Tauma betroffen sein (Maercker & Ehler 2001, S. 12).
Im ICD 10 der Weltgesundheitsorganisation werden Traumen als „kurz- oder langanhaltende Ereignisse oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung mit katastrophalem Ausmaß, die nahezu bei jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde“ (Dilling el. al. 2001) definiert.
Als Unterscheidung hat sich eine Einteilung in:
- einmalige, kurzfristige Traumen wie Verkehrsunfälle
- in langfristige wie Geiselhaft und lebensbedrohliche Erkrankungen
- mehrmalige Traumen wie politische Verfolgung, Kriegseinwirkungen oder wiederholter sexueller Missbrauch bewährt (Maercker & Ehler 2001)
Für die Folgen und deren Aufarbeitung ist wichtig:
- in welchem Alter das traumatische Ereignis passiert ist – pränatal, als Baby, Klein-Kind, Jugendlicher, Erwachsener …
- ob es ohne Vorwarnung passiert ist – Schock
- die Intensität des Ereignisses
- die Dauer des Ereignisses (Zeitraum und Wiederholung)
- ob ein Mensch einem anderen das Leid zugefügt hat
- ob „das Schicksal“, „der Zufall“, „die Natur“ dem Menschen das Leid zugefügt hat
Ob die Situation extrem belastend und/oder lebensbedrohlich ist, wird primär instinktiv und nicht intellektuell wahrgenommen. Es geht also nicht sosehr darum, was objektiv wirklich passiert, sondern wie es subjektiv und im Körper erlebt wird.
Obwohl Traumen durch extrem belastende und/oder lebensbedrohliche Ereignisse typische Veränderungen sowohl auf kognitiver, emotionaler, physiologischer und verhaltensmäßiger Ebene bewirken, so sind die wichtigsten Auswirkungen dennoch physischer/physiologischer Natur. Auf Grundlage der klassischen Symptome Intrusion, Vermeidung/Numbing und Hyperarousal gibt es seit 1980 eine präzise Störungsdefinition, die nach DSM-5 oder ICD 10 Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) genannt wird. Alle Symptome bewirken, dass Lebensenergie geraubt oder blockiert wird.